Jurahaus Kalksteindeckung

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Kalksteindeckung klassisch, 1:1 Modell Burgmuseum Parsberg
Kalksteindeckung klassisch, 1:1 Modell Burgmuseum Parsberg
Jura-Bauernhof-Museum in Hofstetten bei Eichstätt, errichtet im 16. Jahrhundert
Jura-Bauernhof-Museum in Hofstetten bei Eichstätt, errichtet im 16. Jahrhundert, Quelle Wikipedia

Die traditionelle Kalksteindeckung eines Jurahauses war, neben der Strohdeckung, seit dem 12. Jahrhundert die vorherrschende Dachdeckung im Raum des Oberpfälzer Jura und des Altmühltals.

Geschichte

Geologische Hintergründe

Der Begriff "Jurahaus" stammt aus der geologischen Zone des Frankenjura. Vor etwa 208–145 Millionen Jahren lag das Jurameer über dem heutigen Altmühltal. Ablagerungen von Korallen, Schwämmen und Pflanzen versteinerten nach dem Rückzug des Meeres und wurden zu Plattenkalken. Diese Schichten enthalten bedeutende Fossilien, wie den ersten Fund des Urvogels Archaeopteryx 1861 bei Solnhofen. Die Schichtstruktur der Gesteine ermöglicht ihre Nutzung als Legschieferplatten für Dächer.[1]

Ursprünge

Die ersten kalkplattengedeckten Häuser entstanden vermutlich im 12. Jahrhundert, wie archäologische und dendrochronologische Untersuchungen zeigen. Beispiele sind Häuser in Eichstätt (1344), Marienstein (1367) und Matting (um 1300). Die erste urkundliche Erwähnung von Kalkplatten in Eichstätt stammt aus dem 14. Jahrhundert.

Nicht alle Häuser waren mit Steinplatten gedeckt; es gab auch Strohdächer und Ziegeldächer bei repräsentativen Gebäuden. Eine Karte von 1570 zeigt Steinbrüche bei Solnhofen, die damals als Wahrzeichen galten.[1]

Dachdeckung mit "gezwickten Taschen" im Lupburger Ortsteil See
Dachdeckung mit "gezwickten Taschen" im Lupburger Ortsteil See

Weiterentwicklung durch Zwicktaschen

1828 erfand der Glasermeister Joseph Weitenhiller die Zwicktaschen, eine neue Form der Kalkplatten für Dächer. Diese Platten können auch auf steilen Dächern verwendet werden und müssen nur in einer Schicht verlegt werden. Weitenhiller patentierte auch Drahtklammern und ein Verfahren zum Färben von Ziegeln und Backsteinen.

Das heute gängige Ziegeldach blieb bis in die Neuzeit hinein herrschaftlichen und kirchlichen Gebäuden vorbehalten, da die Eindeckung durch den hohen Produktionsaufwand und lange Transportwege sehr teuer war. Bei profanen Bauten wurden diese wertvollen Ziegel nur bei Backhäusern oder als Feuerschürze um den Kamin verwendet um die Brandgefahr zu minimieren.[1]

Kalksteindeckung im Raum Parsberg

Das Steindach stellte deswegen vor etwa 150 Jahren die deutlich kostengünstigere Alternative dar.  Die Deckung konnte vor Ort hergestellt werde und die Transportwege waren somit relativ kurz.

Für den Parsberger Raum wurden die Kalkplatten meist aus den Steinbrüchen von Jachenhausen, in der Nähe von Riedenburg gebrochen und dann in die Region Parsberg transportiert.

Die Transportentfernung von 25 km entsprach einer Tagestransportstrecke mit dem Fuhrwerk.[2]

Materialien und Bauweise

Architektonische Merkmale eine Jurahauses

Ein typisches Jura-Dach, wie bei einem Haus in der Rot-Kreuz-Gasse in Eichstätt, ist flach geneigt und mit dünnen Kalkplatten aus Plattenkalk gedeckt. Diese Legschieferplatten erfordern eine maximale Dachneigung von 30°, um nicht abzurutschen. Aufgrund des hohen Gewichts der Kalkplatten (180-200 kg/m²) ist der Dachstuhl massiv und liegt meist auf einem hohen Kniestock. Die Erdgeschosswände sind meist aus Bruchstein, während die Innen- und Obergeschosswände aus Mauerwerk oder Fachwerk bestehen können. Fachwerk war oft mit geflochtenen Weiden und Lehmschlag ausgefacht und mit Kalkmörtel verputzt. Wohlhabendere Bauern hatten größere Häuser mit mehr Steinanteil.

Häuser mit gemauerten Obergeschossen haben fast keinen Dachüberstand, da der Dachüberstand bei flach geneigten Kalkplattendächern das Risiko birgt, dass sich Wasser und Schnee ansammeln und bei Frost vereisen. Diese Vereisung könnte zu Rückstau und möglichen Schäden am Dach führen. Daher wird der Dachüberstand minimiert, um solche Probleme zu vermeiden. Bei Jurahäusern mit Fachwerkobergeschossen ist jedoch trotzdem ein Dachüberstand zum Schutz des Fachwerks üblich.

Weitere Merkmale sind der gedrungene Baukörper, unten breiter als oben, kleine und klar geordnete Fenster und Türen, die selten symmetrisch sind. Ursprünglich hatten diese Häuser keinen Kamin.[1]

Das Legdach

Das Steindach oder sog. Legdach setzte aufgrund des hohen Deckungsgewichtes einen soliden Dachstuhl und starke Mauern voraus.

Es bestand aus etwa ein Zentimeter dicken Kalksteinplatten, die in mehreren Lagen übereinander direkt auf die Unterkonstruktion aufgelegt wurden. Diese bestand meist aus gespaltenen jungen Birkenstämmen die man mit der flachen Spaltseite an den Dachstuhl montierte. Die halbrunde Seite der Jungstämme war so nach oben ausgerichtet und erleichterte das Einlegen der Steinplatten.[2]

gezwickte Taschen

Im Osten des damaligen Landkreises Parsberg bildete sich mit den sogenannten „gezwickten Taschen“ eine Sonderform heraus.

Die dünnen Kalkschieferplatten wurden an der Unterkante rund wie ein Biberschwanzziegel abgezwickt und in die Unterkonstruktion genagelt.

Dies ermöglichte steilere Dachneigungen.[2]

Kulturelle Bedeutung

Die Bauform des Jurahauses hat sich über Jahrhunderte kaum verändert. Die Grundprinzipien de Jurahauses blieben bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts verdrängen moderne Häuser die Jurahäuser, da Bebauungspläne diese Bauform nicht mehr vorschreiben und Neubauten im Jurastil durch Anforderungen wie steile Dachneigungen erschwert werden. Unsachgemäße Renovierungen und Bodenversiegelungen führten oft zu Feuchtigkeitsproblemen des Altbestandes.

Das wuchtige Jurahaus mit seinem Kalksteindach prägte über lange Zeit die Hauslandschaften der südlichen Oberpfalz und prägte den Charakter der Region. Heute kämpft das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und der Jurahausverein für den Erhalt dieser einzigartigen Bauten.[1]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 https://de.wikipedia.org/wiki/Jurahaus
  2. 2,0 2,1 2,2 [[Datei:Tafel Kalksteindeckung Burgmuseum.jpg|mini|Tafel Kalksteindeckung Burgmuseum Parsberg[[Datei:Tafel Kalksteindeckung Burgmuseum.jpg|alternativtext=Tafel Kalksteindeckung Burgmuseum Parsberg|mini|Tafel Kalksteindeckung Burgmuseum Parsberg]]]]