Pflanzenzüchtung

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Die Landbauwissenschaften erfuhren im 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung. Verbesserte Düngung und Bodenbearbeitung, Nutzung der bisherigen Brache zum Anbau von Hackfrüchten und Futterpflanzen, aber auch die Pflanzenzüchtung sollten dazu beitragen, die wachsende Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. In Bayern wurde zur Förderung der Pflanzenzüchtung im Jahre 1902 in Weihenstephan die „Königliche Saatzuchtanstalt“ gegründet. Diese erhielt in den Folgejahren in den einzelnen Regierungsbezirken Außenstellen, so in der Oberpfalz 1919 die Saatzuchtinspektion Regensburg. Die kleine Dienststelle sollte mit den örtlichen, privaten Pflanzenzüchtern zusammenarbeiten, den Saatgutbau fördern und mithilfe des Feldversuchswesens die Landwirtschaftsberatung unterstützen.

Am Anfang war die Auslesezüchtung

Zunächst gelangen erste Erfolge durch Auslese der besten Formen bei den örtlichen Landsorten. Diese „verbesserten Landsorten“ waren an die jeweiligen Boden- und Klimaverhältnisse angepasst. Durch die Auslese geeigneter Formen konnten Verbesserungen des Ertrages, der Kornqualität sowie der Standfestigkeit erzielt werden. Auch in der Oberpfalz gab es viele interessierte Landwirte, die sich hier engagierten. Der Kreisackerbauverband unterstützte diese Bemühungen. Die neuen Sorten fanden jeweils in der näheren Umgebung guten Zuspruch. Zu nennen sind:

● Fürstlich Thurn und Taxis’sche Gutsverwaltung Ab 1897 wurde auf Gut Hellkofen, Lkr. Regensburg, unter Domänendirektor Georg Steinsberger der „Verbesserte niederbayerische Landweizen“ ausgelesen. Auch bei „Heines verbesserter Chevaliergerste“ erfolgten Auslesen. Die Arbeiten wurden ab 1900 auf dem T+T-Gut Barbing unter Saatzuchtleiter Dr. Fritz Tritschler fortgesetzt. Unter dem Namen “Barbinger“ waren bis 1928 je ein Winterweizen, ein Sommerweizen, ein Winterroggen, eine Sommergerste, ein Hafer und ein Mais im Handel.

● Ökonomierat Schiml, Konnersreuth, Lkr. Tirschenreuth

Ab 1899 entstanden hier Auslesen des Fichtelgebirgshafers. Die Arbeiten wurden von der Fichtelgebirgsverkaufsgenossenschaft unter Mitwirkung des „Bauerndoktors“ Dr. Heim unterstützt.

● Gutsbesitzer Wilhelm Freiherr von Günther, Ernestgrün/Ottengrün, Lkr. Tirschenreuth Frhr. von Günther bearbeitete ab 1902 auch den Fichtelgebirgshafer, unterstützt von der Landessaatzuchtanstalt in Weihenstephan.

● Gutsbesitzer Josef Schmidkonz, Marchaney bei Tirschenreuth Von 1902 bis 1909 wurde hier der einheimische Stiftlandhafer, aber auch Sommerweizen züchterisch bearbeitet.

● Zuchtstelle Tirschenreuth Die Stiftlandverkaufsgenossenschaft in Tirschenreuth bearbeitete auf der Zuchtstelle Schwarzenbach bei Bürgermeister S. Tretter um 1902/04 ebenfalls den Stiftlandhafer. Zuchtleiter war Landwirtschaftslehrer Karl Winkler aus Tirschenreuth. Der Vertrieb des Saatgutes erfolgt durch das Stiftlandlagerhaus.

● Ökonomierat Jakob Stadler, Regensburg und Aukofen, Lkr. Regensburg Jakob Stadler begann 1902 mit Züchtungarbeiten auf seinem Betrieb in Regensburg in der Luitpoldtraße, welcher hauptsächlich aus Pachtflächen des Kollegiatstifts „Zu Unsere Lieben Frau – Zur alten Kapelle“ bestand. 1925 verlegte er die Zuchtstelle auf den Pachbetrieb Aukofen im Lkr. Regensburg. Ab ca. 1918 übernahmen die Diplomlandwirte Hagmayer, ab 1928 Hans Häffner die Zuchtarbeiten. Im Handel waren: Winterweizen: Goliath, eine Auslese aus dem bayerischen Landweizen, Sommerweizen: Stadlers Weißspelziger, ab 1910 auch eine braunspelzige Form, Sommergerste: Radisbona, Auslese aus der Regensburger Landgerste. Nach diesen Erfolgen mit der Auslesezüchtung wandte sich der Betrieb auch der Kreuzungszüchtung zu. 1932 wurde der Zuchtbetrieb in Aukofen eingestellt.

● Landesökonomierat Wolfgang Bauernfeind, Naabdemenreuth, Lkr. Tirschenreuth Ab 1902 betrieb Bauernfeind Auslesezüchtung beim örtlichen Ĺandroggen, woraus bereits 1903 Bauernfeinds Oberpfälzer Winterroggen hervorging. Bei Hafer entstand durch Auslese der Nordgauhafer, der bis 1935 am Markt war. Die Zuchtarbeiten gingen später auf den „Verbandshof“ des Nordostbayerischen Saatbauverbandes e.V. Marktredwitz (NOS) über.

● Zuchtstelle Amberg An der Königlichen landwirtschaftlichen Winterschule in Amberg begannen unter Landwirtschaftslehrer Karl Ambros ab 1903/04 züchterische Arbeiten mit der Oberpfälzer Landgerste, wobei die Verbesserte Amberger Landgerste entstand. Sie fand weite Verbreitung und war lange Zeit am Markt. 1921 ging der Zuchtbetrieb von der Landwirtschaftsschule an die Gefangenenanstalt Amberg über, wo die Zuchtarbeiten 1936 eingestellt wurden.

● Zuchtstelle Neumarkt i.d. OPf. Ähnlich wie in Amberg wurde auch an der landwirtschaftlichen Winterschule in Neumarkt unter Landwirtschaftslehrer Alfred Alzheimer Auslesezüchtung betrieben, hier mit der Juralandgerste. Die so entstandene Verbesserte Juragerste war in der Folgezeit im Raum Neumarkt/Beilngries als Braugerste sehr beliebt.

● Ökonomierat Josef Kredler, Heringnohe bei Vilseck Von 1918 bis 1928 hatte Kredlers Oberpfälzer Gerste lokale Bedeutung.

● Josef Bauer, Irl, Lkr. Regensburg Ab 1909 bearbeitete Bauer die Harzer Gerste, woraus Bauers Sommergerste entstand und aus dem örtlichen Landhafer entstand der Irler Hafer. 1933 brachte ein Scheunenbrand das Zuchtprogramm zum Erliegen.

● Benediktinerstift Plankstetten, Lkr. Beilngries Unter Pater Ludwig Riger wurde hier ab 1910 die einheimische Juragerste durch Auslese verbessert.

● Rudolf Wild, Schwarzach bei Schönsee, Lkr. Oberviechtach Die Zuchtstelle bearbeitete ab 1911 den regionalen Waldlerhafer.

● Wilhelm Bucher, Altach, Lkr. Regensburg Buchers Winterweizen entstand 1921 aus einem begrannten, braunen Landweizen.

● Landesökonomierat Paul Baumann, Unteraich, Lkr. Nabburg Aus dem örtlichen Landsommerweizen hatte Baumann 1921 den Verbesserten Nabburger Sommerweizen ausgelesen.

Die Auslesezüchtung dieser „Pflanzenbaupioniere“ brachte zwar deutliche Fortschritte, für weitere Züchtungserfolge war jedoch eine größere genetische Variabilität erforderlich. Diese war nur durch die gezielte Kreuzung verschiedener Sorten oder Stämme zu erreichen, also das Zusammenführen positiver Eigenschaften in einer neuen Sorte. Die Kreuzungszüchtung war allerdings deutlich anspruchsvoller und erforderte einen immensen Selektionsaufwand, da eine Vielzahl von Kreuzungsnachkommenschaften geprüft werden musste. Diese Arbeit konnten die meisten Zuchtstellen nicht leisten.

Der Kreuzungszüchtung gehörte die Zukunft

Saatzucht Lang-Doerfler-Bauer in Niedertraubling, Lkr. Regensburg Bereits ab 1863 hatte der aus Württemberg stammende Ernst Lang den Gutsbetrieb in Niedertraubling pachtweise bewirtschaftet. Sein Sohn Wilhelm Lang übernahm 1889 den Betrieb und begann 1893 mit ersten pflanzenzüchterischen Arbeiten. Dabei pflegte er stets eine enge Zusammenarbeit mit der Landessaatzuchtanstalt in Weihenstephan. Durch Auslese aus dem braunen Landweizen entstand zunächst Langs verbesserter Traublinger Landweizen, der von 1904 bis 1920 im Handel war. Bald wandte sich Lang jedoch der Kreuzungszüchtung zu und brachte 1917 die Sorte Traublinger Brauner Dickkopf, auch Trubilo genannt, auf den Markt. Ein großer Erfolg gelang 1930 mit der Sorte Langs Braunweizen Tassilo, der, mit deutlich verbesserter Backqualität ausgestattet, auch außerhalb Bayerns große Verbreitung fand. Weitere bedeutende Weizensorten wie Authari (1958-1970), Felix (1961-1972), Berthold (1962-1978) und andere folgten. Seit 1940 wird Hafer züchterisch bearbeitet, wobei sich erste Erfolge bereits 1945 mit Lang-Doerflers Weihenstephaner Weißhafer und 1968 mit Doerflers Weißhafer Arnold einstellten. Die zweizeilige Wintergerste wurde 1972 ebenfalls erfolgreich ins Zuchtprogramm aufgenommen. Ab 1928 führten Schwiegersohn Heinrich Doerfler und seine Frau Erna den Betrieb als „Saatzucht Lang-Doerfler“ weiter. 1965 trat Schwiegersohn Georg Bauer als Mitinhaber und Betriebsleiter in die Gesellschaft ein. In vierter Züchtergeneration wurde Berthold Bauer 1975 Mitgesellschafter, um ab 1990 die „Saatzucht Bauer GmbH & Co.KG“ als Alleininhaber zu führen. Im Jahre 2010 wurde in Biendorf, OT von Bernburg (Saale) in Sachsen-Anhalt ein zweiter Zuchtstandort errichtet. In der „Saatzucht Bauer Biendorf GmbH & Co.KG“ tritt mit Sohn Dominik Bauer die fünfte Saatzuchtgeneration in die Geschäftsführung ein. 2022 wird zu einem denkwürdigen Jahr in der Familiengeschichte. Nach 160 Jahren wird die Pachtung des Gutes Niedertraubling aufgegeben, die Saatzucht Bauer siedelt komplett nach Biendorf in Sachsen-Anhalt über. Von den einst 30 Oberpfälzer Zuchtbetrieben hat die Saatzucht Lang-Doerfler-Bauer als einzige bis heute überlebt.

Kartoffelzüchtung in der Oberpfalz

Bei Kartoffeln, welche über Knollen, also ohne geschlechtliche Fortpflanzung vermehrt werden, wurde anfangs Staudenauslese betrieben. Viele Landsorten stellten noch ein Formengemisch dar, das durch Auslese verbessert werden konnte. Überlagert wurde diese Arbeit durch das Auftreten von Viruskranḱheiten, insbesondere der Blattrollkrankheit. Dabei werden die Leitungsbahnen der Pflanzen verstopft, was zu einer deutlichen Wuchsdepression und somit zu erheblichen Ertragsausfällen führt. Die kranken Stauden mussten entfernt werden, um gesundes Pflanzgut fürs nächste Jahr zu gewinnen. Um 1900 waren bei Kartoffeln schon etliche Zuchtsorten am Markt, wie Modrows Industrie, Böhms Vater Rhein oder von Kamekes Parnassia. In der Oberpfalz betrieben etliche Landwirte Staudenauslese bei diesen Sorten. Sie waren im heutigen Sinne keine Züchter, sondern Vorvermehrer bei der Pflanzkartoffelerzeugung.

Saatzuchtwirtschaft Ferdinand Freiherr von Moreau, Schönach-Schafhöfen, Lkr. Regensburg Freiherr von Moreau sicherte sich mit den von ihm gezüchteten Sorten einen Platz unter den erfolgreichsten deutschen Kartoffelzüchtern. 1927 begann er auf seinem Pachtbetrieb in Schafhöfen mit der Kreuzungszüchtung bei Kartoffeln. Mit bis zu 20.000 Kartoffelsämlingen pro Jahr stieß er in völlig neue Dimensionen vor. Zuchtziel war vor allem, ertragreiche Stärkesorten zu schaffen. Auf seinem Betrieb mit 420 Hektar baute er selbst ca. 100 Hektar Kartoffeln für die Gutsbrennerei an. Ein erster Erfolg gelang 1939 mit der Stärkesorte Tiger, die vor allem in den ostdeutschen Brennereibetrieben große Verbreitung fand. Weitere Stärkesorten wie Panther (1949) und Tasso (1963) folgten. Aber auch bei Speisekartoffel gab es Erfolge mit den Sorten Lerche (1950), Forelle (1950) und Lori (1953). Letztere war als mittelfrühe Sorte mit hervorragender Speisequalität damals mit 8.700 Hektar Vermehrungsfläche die verbreitetste Sorte im Bundesgebiet. Sie war über 20 Jahre am Markt. Pionierarbeit leistete von Moreau auch bei der Züchtung auf Resistenz gegen Kartoffelnematoden. Apis (1965) und Cobra (1966) waren die ersten nematodenresistenten Kartoffelsorten am Markt. Ab 1940 wurde Körnermais ist Zuchtprogramm aufgenommen, später folgten Sommerweizen und Hafer. 1963 übernahm Sohn Paul Freiherr von Moreau die Saatzuchtwirtschaft, um sich 1964 mit der Saatzucht Freiherr von Pfetten-Niederarnbach zur Firma „Uniplanta“ zusammen zu schließen. 1979 schied von Moreau aus dieser Kooperation aus, 1981 wurden die Pachtung und der Zuchtbetrieb in Schönach-Schafhöfen aufgegeben. Den Firmennamen übernahm ein Maiszüchter aus Osterhofen in Niederbayern.

Kreisgut Wöllershof, Lkr. Neustadt a.d. Waldnaab Der Gutsbetrieb der Heil- und Pflegeanstalt (Kreisirrenanstalt) wurde ab 1908 unter der Leitung von Ökonomierat Jakob Sigl zu einem Musterbetrieb, der sich ab 1926 zu einer bedeutenden Kartoffelzuchtstation entwickelte. Durch gute Kontakte zur Landessaatzuchtanstalt Weihenstephan bekam das Kreisgut ab 1925 Zuchtstämme aus der dortigen Kreuzungszüchtung zur Linienprüfung und zur weiteren Vermehrung. Als offizielle „Kartoffelkulturstation“ leistete Wöllershof mit vielen Anbauversuchen einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Erdäpfelbaues in der nördlichen Oberpfalz. 1937 übernahm der Betrieb einen Weihenstephaner Zuchtstamm aus einer Wildrassenkreuzung zur weiteren Bearbeitung und brachte ihn zur Sortenreife. Dies führte zur Zulassung der Sorte Roswitha, einer blassroten, weißfleischigen Stärkesorte mit mittelspäter bis später Reife. Besondere Verbreitung fand die Sorte in Sachsen, Schlesien und Ostpreußen, sie war aber auch in Frankreich, Belgien und Holland im Anbau. Nach dem Ausscheiden des Betriebsleiters Sigl 1943 erlosch das Interesse an pflanzenzüchterischen Arbeiten. 1960 bekam der Betrieb ein Brennkontingent zugeteilt, konnte also den umfangreichen Kartoffelanbau beibehalten. Mit der Zeit wurde das einstige Mustergut für den Bezirkstag der Oberpfalz eher zur Belastung. Im Jahre 2006 wurde der Gutshof verkauft, die landwirtschaftlichen Flächen werden seither vom benachbarten Staatsgut Almesbach bewirtschaftet.

Literatur