Das Äußere der Basilika St. Martin in Amberg
Warum Basilika? Basilika bezeichnet hier nicht den Baustil, es ist ein vom Vatikan verliehener Ehrentitel, genau genommen „Basilika minor“. Darunter ist die Bedeutung der Kirche für die Region und als Stätte der Liturgie und Seelsorge zu verstehen. Äußeres Zeichen sind die päpstlichen Wappen über dem Eingangsportal. Das obere Wappen ist das von Papst Johannes Paul II., er verlieh der Kirche die Auszeichnung, das untere das Wappen von Papst Franziskus.
Beim Blick darauf fällt auf, dass sich St. Martin von vielen anderen gotischen Gotteshäusern äußerlich gewaltig unterscheidet. Es fehlen die sonst üblichen Strebepfeiler mit dem oft reichen Maßwerk. Eine Sondergotik, die im Sandsteinbau hier in Amberg erstmals praktiziert wurde. Ein Stil, der sich dann in Sachsen bei St. Annnen in Annaberg, St. Marien in Zwickau oder dem Freiberger Dom durchgesetzt hat. Daher sprechen manche auch von der sächsischen Bergmannsgotik. Statisch ersetzten die nach innen gelegten Wandpfeiler die fehlenden Strebepfeiler.
Apropos Gotik – die Türmerstube passt im Stil nicht recht dazu. Der ursprüngliche, viel bescheidenere Dienstraum des Türmers hat vor gut 200 Jahren während des Spanischen Erbfolgekrieges, als Amberg vom Maria-Hilf-Berg aus beschossen wurde, einige Kugeln abbekommen. Stürzt er ein? Bleibt er? Vorsichtshalber hat man die Türmerstube abgetragen und über dem Glockenstuhl eine stattlichere, nun im Stil des Barock, aufgesetzt.
Für viele Betrachter ist der „Punkt“ oder die Mulde auf fast jedem Stein ein Rätsel. Nun, bis hinein in die Renaissance baute man solche großen Bauwerke wie tausend Jahre zuvor die Römer: Vor der im Bau befindlichen Gebäude ein Tretrad mit einem Ausleger mit Flaschenzug. Darüber ein Seil, am Ende des Seiles eine Zange, die bei Zug beidseitig des Steines in die Mulden griff. Je nach Größe des Tretrades liefen ein, zwei Knechte darin, das Seil wickelte sich über eine Winde, der Stein wurde gehoben. Dies konnte natürlich nicht bis zu einer Höhe von 91,5 Metern erfolgen. So steht auf halber Höhe im Inneren des Turmes heute noch ein weiteres Tretrad. Der Stein wurde umgesetzt und es ging weiter in die nächste Etage.
Und der Riss in der Mauer, seitlich vom Mittelportal? Keine Sorge, die Kirche ist nicht baufällig und es ist auch kein Riss. Direkt an der Vils stand eine Vorgängerkirche, die den reichen Ambergern im auslaufenden 14. Jh. nicht mehr ausreichend repräsentativ, vielleicht auch zu klein war. Kurzum, die Stadt beschloss, an gleicher Stelle eine neue Kirche zu bauen. Doch es musste ja während des Baus weiterhin Gottesdienst gehalten werden. Also erstellte man erst den chorseitigen Teil, verschloss diesen mit einer Mauer, konnte im Chor Gottesdienst halten und die alte Kirche abreißen. Das damalige Eingangsportal schmücken heute noch die etwas verloren aussehenden Figuren der Verkündigungsgruppe. Zwischen diesem und dem heutigen Portal verdeutlicht der „Riss“ die einstige Mauer.
Unter dem einstigen Portal der Epitaph des Hans Klopfer. Aus Weiden stammend, wurde er Amberger Bürger, Gewerke (Anteilseigner im Bergbau) und Eisenhändler. Links der Hl. Wolfgang, rechts der Hl. Nikolaus mit den drei goldenen Kugeln, in der Mitte die Kreuzigungsgruppe. Die drei Hämmer im Wappen symbolisieren seinen Namen und sein berufliches Betätigungsfeld.

Am Ausgang zum Martinssteg erinnert ein Marmorgrabstein an den 1501 verstorbenen Ballistiker und Büchsenmeister Martin Merz. Auf dem linken Wappen ein Basilisk, ein Fabelwesen, rechts ein Geschütz. Von seiner Frömmigkeit zeugt der Rosenkranz. Bei der Augenklappe mag der Betrachter raten: Ist diese auf eine Verletzung zurückzuführen oder galt die Blindheit auf einem Auge den ballistischen Versuchen?
Schließlich die Sakristei, älter als die Kirche. Sie diente der Vorgängerkirche und sicher anfangs auch der jetzigen als Karner, oben Kapelle zur Kollektivandacht, unten Beinhaus. Um die Kirche herum befand sich, erst 1782 aufgelöst, ein Friedhof. Bis in das 16. Jh. gehörte im süddeutschen Raum zu jedem Friedhof ein Beinhaus.

Viele Interpretationen, heute würde man sagen Fake-News, gibt es um die Riefen und Schüsselchen rund um die Kirche in Augenhöhe. „Der Teufel wetzte hier seine Krallen, da er keinen Zugang zur Kirche bekam“ oder „Waffen wurden hier geschliffen, bevor man in den Krieg zog“ oder „Wetzsteine zum Schleifen von Sensen usw. wurden hier aufgereiht“ oder „zur Gewinnung von Putzsand“, weil es keine rationale Erklärung dafür zu geben scheint. Vor allem des Putzsandes wegen scheinen sich diese auch an Stadttoren und Stadtmauer zu befinden. Doch eigenartig, wir finden diese Riefen und Schüsselchen an (fast) keinem Bauwerk, entstanden erst in protestantischer Zeit, oder im Bereich des Schlosses. Jedoch auch noch im 18. Jh. an Sakralbauten in Gegenden, die nie protestantisch waren, wie z. B. die Kirche St. Ägidius in Vilseck, erbaut 1770. Im (katholischen) Aberglauben verabreichte man den gesegneten, da an der Kirche gewonnenen Sand, kranken und unfruchtbaren Tieren oder nahm diesen vielleicht selbst als Heilmittel ein. In Italien trägt man heute teilweise noch Staub aus der Kirche in einem Amulett um den Hals. Und weshalb dann der an der Stadtmauer? Nun, Geistliche erklären dies mit einem Berührungssegen ähnlich der Handauflegung.